Willy Brandt

Er zählt zu den herausragenden Staatsmännern des 20. Jahrhunderts. Der Sozialdemokrat hat die Politik in Deutschland, Europa und der Welt wesentlich mitgeprägt.

Diese multimediale Online-Biografie zeigt sein bewegtes und faszinierendes Leben. Sie ist ein gemeinsames Projekt der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung und der Norwegisch-Deutschen Willy Brandt-Stiftung.

„Mein eigentlicher Erfolg war, mit dazu beigetragen zu haben, dass in der Welt, in der wir leben, der Name unseres Landes, Deutschland also, und der Begriff des Friedens wieder in einem Atemzug genannt werden können.“
Willy Brandt in einem Fernsehinterview, 1988

Arbeiterjunge in Lübeck

Willy Brandt kommt am 18. Dezember 1913 mit dem Namen Herbert Ernst Karl Frahm im Lübecker Arbeitermilieu zur Welt. Der aufgeweckte Junge kann das Gymnasium besuchen und macht 1932 das Abitur. Fest verankert in der Arbeiterbewegung, zeigt Herbert Frahm früh politisches und journalistisches Talent. Er wird schon mit 16 Jahren Mitglied der SPD, wechselt aber 1931 zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD).

Mein Zuhause suchte und fand ich in der Jugendbewegung, bei den Falken zuerst, dann in der Sozialistischen Arbeiterjugend. Willy Brandt in seinen „Erinnerungen“, 1989

Widerstandskämpfer im norwegischen Exil

Als Hitler am 30. Januar 1933 an die Macht kommt, leistet Herbert Frahm sofort Widerstand. Um sich vor der Verfolgung durch die Nazis zu schützen, gibt er sich den Namen Willy Brandt. Im April 1933 geht er ins Exil nach Norwegen. In Oslo baut Brandt für die links­sozialistische SAPD einen Auslandsstützpunkt auf. Von hier aus setzt er den Kampf gegen Hitlers Diktatur fort, wofür ihn die deutschen Behörden 1938 ausbürgern.

Die Disziplin des dritten Reiches ist Kriechertum und keine Freiheit. Der Faschismus ist geistige Sklaverei. Willy Brandt in einer norwegischen Zeitung, 1933

Demokratischer Sozialist und Journalist in Schweden

Nach der deutschen Besetzung Norwegens im Zweiten Weltkrieg flieht Willy Brandt 1940 nach Schweden.
Er erhält einen norwegischen Pass und leitet ein Pressebüro in Stockholm. Brandt tritt für ein freies Norwegen und ein anderes, demokratisches Deutschland ein. In einem internationalen Kreis demokratischer Sozialisten entwickelt er Ideen für die Zukunft Europas und der Welt. Nach Kriegsende 1945 berichtet Brandt als Journalist vom Nürnberger Prozess.

Ich fühle mich Norwegen mit tausend Banden verbunden, aber ich habe niemals Deutschland – das andere Deutschland – aufgegeben. Willy Brandt in einer schwedischen Zeitung, 1943

SPD-Politiker im geteilten Berlin

1947 kommt Willy Brandt nach Berlin, um in der Norwegischen Militärmission als Presseattaché zu arbeiten. Ein Jahr später wechselt er in die deutsche Politik und wird wieder deutscher Staatsbürger. Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges steigt Brandt in der Berliner SPD auf. Im Bonner Bundestag und im West-Berliner Parlament, dessen Präsident er 1955 wird, setzt er sich leidenschaftlich für die Wiedervereinigung Deutschlands ein.

Ich will versuchen, dabei zu helfen, dass Deutschland nach Europa zurückgeführt wird. Willy Brandt gegenüber einem norwegischen Freund, 1947

Regierender Bürgermeister und Kanzlerkandidat

1957 wird Willy Brandt Regierender Bürgermeister von Berlin. In der Krise 1958-1962 hat er großen Anteil daran, dass der Westen den sowjetischen Drohungen nicht nachgibt und West-Berlin frei bleibt. Nicht verhindern kann Brandt 1961 den Mauerbau, dessen brutale Folgen er mit einer „Politik der kleinen Schritte“ zu mildern versucht. 1964 über­nimmt Brandt den SPD-Vorsitz, als Kanzlerkandidat scheitert er jedoch zweimal.

Wir werden uns niemals mit der brutalen Teilung dieser Stadt, mit der widernatürlichen Spaltung unseres Landes abfinden. Willy Brandt zum Bau der Berliner Mauer, 13. August 1961

Außenminister und Bundeskanzler in Bonn

In der Großen Koalition von CDU/CSU und SPD ist Willy Brandt ab Ende 1966 Außenminister und Vizekanzler. 1969 wird er der erste sozialdemokratische Bundeskanzler. Die von ihm geführte SPD-FDP-Regierung setzt die inneren Reformen fort, treibt die Einigung Europas voran und beginnt eine neue Ostpolitik. 1971 erhält Brandt den Friedensnobelpreis. Eine Wirtschaftskrise und eine Spionage-Affäre führen 1974 zu seinem Rücktritt.

Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein und werden, im Innern und nach außen. Willy Brandt vor dem Bundestag, 28. Oktober 1969

Internationaler Staatsmann ohne Staatsamt

1976 wird Willy Brandt Präsident der Sozialistischen Internationale, an deren Spitze er sich weltweit für Frieden, Demokratie und Menschenrechte engagiert. Ab 1977 leitet er außerdem eine Nord-Süd-Kommission, die im „Brandt-Report“ neue Vorschläge für eine globale Entwicklungspolitik macht. Als SPD-Vorsitzender stützt Brandt die sozial-liberale Koalition in Bonn bis zu ihrem Bruch 1982.

Die Globalisierung von Gefahren und Herausforderungen – Krieg, Chaos, Selbstzerstörung – erfordert eine Art ‚Weltinnenpolitik‘. Willy Brandt in der Einleitung zum Nord-Süd-Bericht, 1980

Überzeugter Europäer und deutscher Patriot

Um das atomare Wettrüsten zu stoppen, sucht Willy Brandt in den 1980er Jahren den Dialog mit den Machthabern im Osten. 1987 gibt er den Vorsitz der SPD ab und wird ihr Ehrenvorsitzender. Als 1989 die Berliner Mauer fällt und die kommunistischen Diktaturen stürzen, erfüllt sich sein Traum. Begeistert fördert Brandt das Zusammenwachsen Europas und Deutschlands Einheit. Nach schwerer Krankheit stirbt er am 8. Oktober 1992 in Unkel.

Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört. Das gilt für Europa im Ganzen. Willy Brandt zum Fall der Mauer, 10. November 1989
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