Interessen und Hobbies

Von Kindesbeinen an ist Willy Brandt ein leidenschaftlicher Leser. Bücher und Texte umgeben ihn sein Leben lang. Entspannung findet der Politiker und Staatsmann auch beim Angeln. Dieses Hobby gibt Brandt nach seiner Kanzlerzeit aber auf. Sein Interesse an Sport und Spiel ist eher gering.

Begeisterung für Bücher

Mit seiner Belesenheit beeindruckt schon der Lübecker Arbeiterjunge seine Lehrer. Sein Interesse gilt vor allem Romanen, Biografien und Reportagen, die soziale Probleme erhellen oder die von geschichtlichen Ereignissen und Figuren handeln. Die Lieblingsautoren des Schülers sind der dänische Schriftsteller Martin Andersen Nexø sowie die deutschen Autoren Erich Maria Remarque und Thomas Mann.

Der Journalist und Berufspolitiker Willy Brandt liebt es, Texte zu schreiben und zu redigieren. Er liest weiterhin gern und viel, auch in seiner äußerst knapp bemessenen Freizeit. Seine Wohnungen und speziell sein Arbeitszimmer sind voller Bücher. Seine Privatbibliothek besteht aus Nachschlagewerken, Belletristik und Klassikerausgaben in mehreren Sprachen sowie Sachbüchern, Broschüren und Heften unterschiedlichster politischer Ausrichtung.

Willy Brandt bevorzugt historisch-politische Werke, Biografien und Anekdotisches. Gleichwohl interessiert er sich stets auch für die Gegenwartsliteratur. In den 1960er und 70er Jahren sucht der Sozialdemokrat sogar den Austausch mit prominenten deutschsprachigen Schriftstellern, z. B. Heinrich Böll, Max Frisch, Günter Grass, Siegfried Lenz und Martin Walser. In seinen letzten Lebensjahren entwickelt Brandt ein Faible für den kolumbianischen Autor Gabriel García Márquez, dessen Romane er alle kennt.

Offenheit für Kunst

Aufgrund seiner politischen Ämter und seiner Weltläufigkeit trifft Willy Brandt über die Jahrzehnte mit vielen renommierten Künstlern persönlich zusammen. Er begegnet ihnen und ihrer Kunst meist mit großer Offenheit. Die Anfragen von Malern, Bildhauern, Grafikern, Fotografen und Filmemachern, ihn zu porträtieren, werden fast immer erfüllt.

So sitzt Willy Brandt u. a. Georg Meistermann und Andy Warhol Modell. Zudem lässt er sich häufig von bedeutenden Fotografen wie Jupp Darchinger, Barbara Klemm, Robert Lebeck, Stefan Moses und Konrad R. Müller aus nächster Nähe aufnehmen. Er hat auch Sinn für unkonventionelle Kunst. Nach einem Treffen mit Christo und Jeanne-Claude im Jahr 1977 gehört Brandt zu den ersten Unterstützern der von dem Künstlerehepaar geplanten Verhüllung des Berliner Reichstags.

Freude am Gesang und Sinn für Humor

In Theater-, Kino- und Konzertsälen sieht man den viel beschäftigten Politiker und Staatsmann selten. An freien Abenden schaut er zu Hause gerne Fernsehen. Ein Freund und Kenner anspruchsvoller Musik ist Willy Brandt eher nicht. Am liebsten hört er wohl Märsche und deutsche Schlager. Ohne besonders begabt zu sein, hat er in seiner Kindheit gelernt, auf der Mandoline zu spielen. Außerdem kann Brandt mit Inbrunst singen. Bis ins hohe Alter stimmt er erstaunlich textsicher mit ein, wenn bei Festen oder Parteitagen alte Arbeiter- und Volkslieder erklingen.

Willy Brandt hat außerdem viel Sinn für Humor und lacht häufig. Sehr großen Spaß bereitet ihm das Erzählen von Witzen, mit denen er kleine und größere Runden immer wieder bestens unterhält. Brandt liebt und sammelt politische Witze. Sein Vorhaben, diese Sammlung zu veröffentlichen, wird nach seinem Tod von Brigitte Seebacher mit dem Buch „Lachen hilft“ verwirklicht.

Angeln als Hobby

Neben der Begeisterung für Politik, Geschichte, Literatur und Witze hat Willy Brandt nur ein weiteres Hobby betrieben: Das Angeln. Er hat sich bereits als Jugendlicher damit beschäftigt und dann in Norwegen das Fischen richtig erlernt. Etliche Fotoaufnahmen aus Familienurlauben in der 1950er und 60er Jahren und die übereinstimmenden Berichte der ältesten Söhne belegen, dass Brandt ernsthaft und sachkundig geangelt hat. Lars schreibt, der Vater habe gemeinsam mit ihm Stunden in einem Boot auf einem See verbringen und schweigend auf einen Fang warten können.

Das Hobby, über das bald alle Welt Bescheid weiß, hat indes eine skurrile Kehrseite: Im Laufe der Jahre bekommt Willy Brandt eine Unzahl von Angelruten geschenkt, von denen er die allermeisten aber nie benutzt. Sein jüngster Sohn Matthias behauptet sogar, sein Vater sei rein aus Imagegründen als Angler aufgetreten. Als Bundeskanzler habe er nur noch dann den Köder ausgeworfen, wenn eine Kamera in der Nähe gewesen sei. Wie auch immer: Spätestens mit Brandts Rücktritt 1974 erlischt die einstige Leidenschaft für das Angeln unwiederbringlich.

Geringes Sportinteresse

Generell zählen sportliche Aktivitäten nicht zu den Lieblingsbeschäftigungen von Willy Brandt. In seinem Abiturzeugnis 1932 steht im Fach Leibesübungen die Note „mangelhaft“. Als Schüler gewinnt er einmal einen Wettlauf über 5000 Meter – aber nur deshalb, weil er in seiner Altersklasse der einzige Teilnehmer ist.

Während seines skandinavischen Exils macht Brandt ein wenig Wintersport und ab und zu spielt er auch beim Fußball mit. Später treibt er so gut wie keinen Sport. Allerdings: Als Außenminister und Bundeskanzler in Bonn schwimmt Brandt fast jeden Morgen im Sommer draußen im Pool seiner Dienstvilla. Ansonsten unternimmt er zumeist sonntags und in den Ferien Spaziergänge und Wanderungen. Die Ausdauer, über die der langjährige Kettenraucher dabei auch jenseits des Alters von 60 Jahren noch verfügt, ist bemerkenswert.

Seit er als Regierender Bürgermeister von Berlin in der vordersten Reihe der deutschen Politik steht, ist Willy Brandt auch bei etlichen sportlichen Großereignissen als Zuschauer dabei. Doch diese Termine absolviert er kaum aus Begeisterung für den Sport, sondern weil sie zur Erfüllung seiner Amtspflichten gehören. In den 1980er Jahren geht er gemeinsam mit seiner Frau Brigitte, die Anhängerin des SV Werder Bremen ist, noch ein paar Mal zu Spielen des Vereins ins Stadion. Ein echter Fußballfan wird aus Brandt dennoch nicht mehr.


Literaturhinweise:

Peter Brandt: Mit anderen Augen. Versuch über den Politiker und Privatmann Willy Brandt, Bonn 2013.

Torsten Körner: Die Familie Willy Brandt, Frankfurt a. M. 2013.

Brigitte Seebacher: Willy Brandt, München 2013.

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